Freitag, 6. Juli 2012

Erinnerungen an „Don't Look Back In Anger“

Es gibt so ganz persönliche Perlen. Vielleicht noch ein Geheimtipp. Die Songs, die noch keiner oder zumindest nur eine Hand voll Menschen vor dir gehört haben. Neuentdeckungen der Musikwelt, die man einfach als seinen Schatz behüten will. Wird einer dieser Songs dann zum so called Mainstream empor gehypt, sehen wir unsere Perle in Gefahr. 
„Ich kannte die ja schon, als noch keiner die kannte!“.
BLA! Traut sich das heutzutage eigentlich noch jemand zu sagen? Musik ist für alle da! - Wer das anders sieht, sollte sich schleunigst bei der GEMA bewerben!

Nur weil ein Song anstatt von 300 Leute nun von 300.000 Leute gehört wird, macht es ihn für jeden einzelnen nicht weniger Wert. Es mag dasselbe Lied sein, aber jeder Mensch assoziiert andere Erinnerungen damit, hört ihn in unterschiedlichen Momenten, fügt ihn in eine andere Geschichte, in ein anderes Leben, in eine andere Zeit.



Zum Beispiel die Beatles mit Ihren 27 Nummer 1 Hits.
„Yesterday“, „Let It Be“, „Help“, „Love Me Do“...!
Als ich vor meinem Papa das erste Mal „Yesterday“ trällerte, guckte er mich zwar auch etwas komisch an und fragte sich bestimmt, woher ICH denn dieses uralte Lied kennen würde, aber schon im nächsten Moment freute er sich sicher, dass der Buschfunk der Musikkultur noch in kommende Generationen hinein funktionierte.
Wie viele Teenager haben schon Antworten in den Songs der Beatles gefunden? Wie viele Liebespaare haben sich seit den 60ern gegenseitig „Love Is All You Need“ ins Ohr gesungen?
Songs werden nicht weniger Wert, je mehr Menschen sie hören. Im Gegenteil: Sie wachsen. Werden zu noch größeren Schmuckstücken.

Was für die einen die Beatles sind, sind für mich Oasis. Mit einigen wenigen anderen Bands stehen sie auf einem imaginären Podest, wo sie alle gemeinsam den Soundtrack meines Lebens bilden. Doch ich muss zugeben, dass Ihre Songs mich nicht in der ersten Stunde erreichten, sondern gut ein Jahrzehnt später.

Dont't Look Back In Anger“ wurde 1995 von Noel Gallagher geschrieben und wurde 1996 als fünfte Single des Albums „(What's The Story) Morning Glory?“ von Oasis veröffentlicht.

8 Jahre nach dem Release von „Don't Look Back In Anger“ saß ich mit meinem ersten Liebeskummer auf unserer Hollywood-Schaukel. Es war ein sehr warmer sonniger Tag und ich war allein. Perfekt um sich, wie so oft in jener Zeit, mal wieder voll und ganz der Trauer hinzugeben. „Don't Look Back In Anger“ lief zusammen mit den anderen großen Hits von Oasis in der EndlosEMOschleife. Aber nur dieser eine Song schaffte es, alle Emotionen in mir gleichzeitig herauszulassen. Ich war traurig, ich war wütend, enttäuscht, irgendwie ziemlich sehr am Ende, … aber das bedeutendste, fast schon vergessene und stärkste Gefühl von allen war Zuversicht!

Noel gibt zu, dass einige Zeilen des Songs von John Lennon inspiriert waren. Instrumental beeinflusste „Imagine“ hörbar das Opening des Songs. Der Part „So I start a revolution from me bed, cause you said the brains I had went to my head“ soll von einer Kassette stammen, auf der John Lennon begann seine Memoiren zu erzählen.

Fast genau 10 Jahre nach dem Tag auf der Hollywood-Schaukel stand ich nun also an der Seite von Bine,
… an diesem Stand,
… auf einem Feld,
… um uns herum ein Festival
... Noel Gallagher auf einer 100m entfernten Bühne.
UND er sang diesen Song!

Im Mai 2007 wurde „Don't Look Back In Anger“ von den Lesern des NME auf Platz 14 der „50 Greatest Indie Anthems Ever“ gewählt.

„Der One-In-A-Million-Moment“ - so hab ich ihn beim letzten Eintrag bezeichnet. Und das bringt es auf den Punkt. Für mich war es genau das. Für ein paar Sekunden war ich einfach wieder das broken hearted Girl. Doch außer der schmerzhaften Liebeskummererfahrung aus vergangenen Tagen fügten sich noch andere Erinnerungen ins Bild. Erinnerungen, von denen die Anne von damals noch nicht einmal annähernd eine Vorstellung hatte. Augenblicke, die die Zuversicht von damals bestätigten. 10 Jahre an guten und schlechten Zeiten rauschten nur so an mir vorbei. Aber anstatt im Flashback-Ich zu verweilen, stand ich nun da und erlebte diesen Moment so bewusst es nur ging. Ich brüllte die Vocals laut aus mir heraus, aber ich brüllte nicht alleine.
Um mich herum kannten einfach alle diesen Song. ALLE schrien Noel entgegen, dass Sally nun wirklich warten könnte und dass er weiß, dass es zu spät ist!

Sally“ ist laut Gallagher nur ein Wort, das gut in den Song passte. Es bezieht sich auf keine existierende Person namens Sally.

Nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich : „Warum singt der denn da vorne jetzt auch mit? Is ja voll blöd, warum kennen denn jetzt alle den Song...?!?!“
Ich glaube, ich hab einfach nur gestrahlt und schaute um mich herum.
Heute frag ich mich, welche Erinnerungen wohl an den anderen so vorbeirauschten.
In dem Moment aber, freute ich mich nur, weil sie alle genauso schön strahlten wie ich.


So wurde aus meiner Perle ein Schmuckstück.


1 Kommentar:

  1. Wow, Anne, was für eine wunderschöne Geschichte zu einem wunderschönen Lied. Und ja, Du hast recht, Musik ist für uns alle da. Und wenn man dann mit Tausenden anderen Menschen vor einer Bühne steht und mit diesem tausendstimmigen Chor zusammen ein Lied mitsingt, ist es einer der schönsten Momente, die es gibt. In dem Moment ist man durch Musik mit diesen ganzen Menschen verbunden und fühlt sich geborgen in der Masse und scheint sie alle für einen Moment zu kennen und zu verstehen. Inklusive dem, der vorne auf der Bühne steht und für all diese Menschen singt.

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