Dienstag, 28. August 2012

Erinnerungen an Madsen


Rebecca                                                                                                                                                Anne

Ich glaub, ich war 17. So kurz vor der Vollendung meines 18. Lebensjahres. Das weiß ich deswegen so genau, weil in meinem Kopf einfach immer ein imaginärer Zeitstrahl präsent ist. Ich kann mir Daten und Zeiträume einfach gut merken. Außerdem fuhr ich an diesem Abend nicht persönlich mit Auto zum Konzert, sondern wurde gefahren. Ich achtete dennoch akribisch darauf, dass Nicole nicht zu schnell fuhr, genügend Abstand hielt und auch sonst jede Verkehrsregel beachtete. Ich war kurz vor meiner Fahrprüfung. Autofahren mit dem Wissen eines Fahrschülers ließ jedes Gefahren-Werden zu einer vermeintlichen Generalprobe zur Prüfung werden - wenn auch nur in meinem Kopf.
Nach knapp 45 Minuten waren wir endlich da:. Platenlaase, irgendwo im Wendland.
Das letzte Hoerstuatz-Konzert war gekommen.


Vor 3 Jahren bekam ich einen Anruf, der mich vor eine neue und große Herausforderung in meinem Leben stellte. Ich kleine Landpflanze sollte in die Hauptstadt ziehen und dort meine Ausbildung machen. Mein erster Gedanke war: wie soll ich das alles in einer Woche schaffen? Ich hatte schon fast nicht mehr damit gerechnet, dass es mit einer Ausbildung noch klappt und plötzlich sollte alles ganz schnell gehen. Viel Zeit blieb mir nicht, um einen Schlafplatz zu finden, meine Freunde und Familie zu verabschieden und vor allem MICH darauf vorzubereiten, dass nun Berlin auf mich wartet. Ich freute mich auf diese Herausforderung, hatte aber auch Zweifel.


Schulschluss und erstmal ab auf die Couch vor den Fernseher.
Das letzte Hoerstuatz-Konzert war gleichzeitig auch das beste. Ich würde schätzen, es hatten sich circa 100, höchstens 200 Leute im Kulturverein Platenlaase eingefunden. Alle Songs klangen mir auch jetzt gut 2 Monate später noch im Ohr. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, wieso sich diese Band getrennt hat. Und warum verabschieden sie sich mit neuen Songs, ihren wohl möglich bisher besten?!?! - Ja, es hätte wohl jeder eins und eins zusammenzählen können, aber nicht ich.
Ich stehe immer auf dem Schlauch, checke immer als letzte den Witz und brauche offensiven Input, wenn es darum geht, den Subtext zu verstehen. In diesem Fall brauchte ich das Gesicht von Sebastian Madsen, der mir in einem hochwertigen Musikvideo auf MTV an diesem Nachmittag du bist die Perfektion ins Gesicht schrie.
Ach, guck an. Hoerstuatz gibt’s nur nicht mehr, weil es jetzt Madsen gibt. Und Madsen haben einfach mal schnell bei einem Major-Label, nämlich Universal Music, unterschrieben. Und wegen diesem Major-Label mussten Madsen ein paar Monate von der Bildfläche verschwinden, um dann mit diesen großen Songs die ganze Nation beglücken zu können.


Bevor ich nach Berlin zog, kannte ich die Stadt nur von einigen Wochenendbesuchen. Hier seinen Alltag zu erleben, ist aber eine ganz andere Angelegenheit. Viele Leute denken, dass Berlin eine Art neues New York ist. Eine Stadt die niemals schläft. Den ganzen Tag feiern, egal welcher Wochentag, Shoppen rund um die Uhr und zwar standesgemäß mit einem Chai-Latte in der einen und Club Mate in der anderen Hand. An alle, die sich dieser Illusion hingeben, ich sage euch: Auch Berliner schlafen! Der Alltag holt einen schneller ein, als man „Berlin“ sagen kann und mir fiel der Anfang eines neuen Lebensabschnitts hier genauso schwer, wie Leuten in CastropRauxel. Mit allem was dazu gehört, .. . ich vermisste meine Freunde, mein altes Leben und Muddis Pudding.


Ist schon krass, du kennst sie aus diesen kleinen Clubs, wo so viele Bands auftreten. Diese Kleinstadthelden, die eben meistens auch Kleinstadthelden bleiben. Ich meine, natürlich gewinnen Schülerbands Wettbewerbe, regional, überregional... aber wie wahrscheinlich ist es, dass diese Schülerbands erfolgreich werden? Und ich meine nicht DSDS-erfolgreich, sondern quasi selfmade-erfolgreich. Mit den „richtigen“ Medien und einem Bela B., der in einem Interview auf die Frage, welche Musik er momentan so hört, antwortet, er fände Madsen gerade ganz gut. Bela B! Im Fernsehen!
Bei TV total! Oh mein Gott! - Contenance -


Nun lebe ich schon 3 Jahre in Berlin, dieser tollen Stadt, die mir jeden Tag ein neues Gesicht von sich zeigt. Mal lieb ich sie, mal hass ich sie. Madsen hat 2010 ein Lied geschrieben, welches mir fast aus der Seele spricht: Berlin was willst du von mir?
Wie ich, kommen auch Madsen aus einer ländlichen Gegend. Ich glaube, genau deshalb konnten sie gut in Worte fassen, was ich mir auch oft denke. So schön und aufregend diese Stadt mit ihren vielen Möglichkeiten ist, so schön ist es auch immer wieder nach Hause zurück zu kehren und alles hinter sich zu lassen. Wenn ich unterwegs bin und Touri-Schwärme an mir vorbeiziehen, die S-Bahn aus allen Nähten platzt, die Promoter am Alex ihren Job mal wieder zu ernst nehmen oder ich einer feierwütigen Meute den Weg zum Berghain erklären muss, frage ich mich nur eins: 
Berlin, was willst du von mir???


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